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Rechtsstreit um den Soli: Regierung droht Milliarden-Verlust

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Von: Lisa Mayerhofer

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Der Bundesfinanzhof verhandelt am Dienstag darüber, ob der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß ist. © David Ebener/dpa/dpa-tmn

Ist der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß? Darüber verhandelt am Dienstag der Bundesfinanzhof. Dem Bund droht der Verlust von Milliarden-Einnahmen.

München – Dieser Fall könnte hohe Wellen schlagen: Der Bundesfinanzhof (BFH) verhandelt am Dienstag darüber, ob der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß ist. Ein Ehepaar hat gegen die Zusatzabgabe geklagt, weil die Grundlage dafür nach dem Ende des Solidarpakts II entfallen sei. Darüber hinaus verstoße die Beschränkung der Sonderabgabe auf zehn Prozent der Steuerpflichtigen gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz.

Das Finanzamt und das Finanzgericht Nürnberg sahen den Soli als rechtmäßig an. Aber die überwiegenden Stimmen im juristischen Schrifttum hielten ihn inzwischen für verfassungswidrig, teilte der BFH mit.

Rechtsstreit um Soli: Kritik von SPD und Grünen an Finanzminister Lindner

Politiker von SPD und Grünen kritisieren derweil das Verhalten von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Rechtsstreit um den Solidaritätszuschlag. Das Bundesfinanzministerium war dem Verfahren vor Lindners Amtszeit als Nebenbeteiligter beigetreten, zog den Beitritt kürzlich aber wieder zurück. Damit wird kein Vertreter des Ministeriums an der Verhandlung teilnehmen. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung traf Lindner die Entscheidung persönlich.

„Es wäre zu erwarten, dass geltendes Bundesrecht vor dem obersten Finanzgericht nicht alleine vom beklagten Finanzamt, sondern auch vom zuständigen Bundesministerium vertreten wird“, sagte der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Dienstag. „Ich hätte mir gewünscht, dass es eine stärkere Trennung zwischen Parteivorsitz und Finanzminister gibt.“

„Es hat uns überrascht, dass Christian Lindner vom bisherigen Kurs abweicht“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck, den Funke-Zeitungen zum Rückzug des Ministeriums aus dem Gerichtsverfahren. Unabhängig von der Gerichtsverhandlung und der Zukunft des Soli könne der Bund derzeit nicht auf Einnahmen verzichten, betonte auch sie. Wie das sichergestellt werde, müsse „weiter in der Koalition beraten“ werden. Denn der Bund generiert mit dem Soli Einnahmen in Milliardenhöhe. 2021 nahm er damit rund elf Milliarden Euro ein. 

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte den Zeitungen, Minister Lindner setze mit der Entscheidung gegen eine eigene Vertretung in dem Verfahren um den Solidaritätszuschlag nur um, was schon lange seine Position sei. Die FDP ist für eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Nur noch Spitzenverdiener müssen Solidaritätszuschlag zahlen

Der Soli wurde bis 2020 als Zusatzabgabe von 5,5 Prozent auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer erhoben, um die Lasten der Wiedervereinigung zu finanzieren. Seit 2021 müssen ihn nur noch Spitzenverdiener zahlen – etwa zehn Prozent der Steuerpflichten. Die Freigrenze liegt bei einem Jahreseinkommen von rund 63.000 Euro für Ledige und 125.000 Euro für Ehepaare. Das Aufkommen sank mit den Änderungen von 19 auf 11 Milliarden Euro.

Im Unterschied zur Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer steht der Soli nur dem Bund zu und nicht auch den Ländern. „Der Bund muss daher einen Grund für den Sonderbedarf haben“, erklärte der BFH vor der Verhandlung. Aus Sicht des BFH „stellt sich die Frage, ob die Wiedervereinigung noch 30 Jahre nach der Wende einen besonderen Finanzbedarf begründet, die eine Fortführung des Solidaritätszuschlags weiterhin rechtfertigt“.

Möglicherweise könnten aber andere Gründe die Erhebung ab dem Jahr 2021 rechtfertigen, etwa „ein erhöhter Finanzbedarf in der Folge der Corona-Pandemie, des Ukrainekriegs oder der erforderliche Finanzbedarf zur Bekämpfung des Klimawandels“. In diesem Fall sei jedoch zu fragen, ob eine solche Umwidmung des Solidaritätszuschlags nicht einer ausdrücklichen Entscheidung des Bundestags bedarf.

Der Gleichheitssatz im Grundgesetz verpflichte den Gesetzgeber auch zur Steuergerechtigkeit. Und damit „stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den Solidaritätszuschlag nur noch für die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher zu erheben“. Sollte der BFH den Soli für verfassungswidrig halten, wird er das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Weist er die Kläger hingegen ab, könnten diese noch Verfassungsbeschwerde einlegen. (lma/dpa)

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