Das System René Benko: Steuerzahler sollen erneut bei Galeria Kaufhof Rettung helfen
René Benko wollte die deutschen Innenstädte wiederbeleben. Nun sollen Gläubiger und Steuerzahler die insolvente Kaufhauskette zum zweiten Mal retten. Doch die Zweifel an Benkos Geschäftsmodell wachsen.
München - Schon am Anfang runzelte so mancher die Stirn. Im August 2014 übernahm René Benkos Signa Holding das Warenhausgeschäft des angeschlagenen deutschen Traditionsunternehmens Karstadt und trug von da an die Verantwortung für 17.000 Arbeitsplätze in mehreren Dutzend Filialen – viele davon in den Herzen der deutschen Innenstädte. Branchenkenner rätselten, welchen Plan der österreichische Investor mit seinem Einstieg verfolgt. In einer Erklärung seiner Signa Holding hieß es zunächst: Es solle erst einmal Ruhe einkehren. Karstadt müsse raus aus den Medien, um sich auf Sanierung und Zukunftsfähigkeit konzentrieren zu können.

Raus aus den Schlagzeilen? So viel ist klar, zumindest dieser Plan ist gescheitert. Heute, knapp neun Jahre später, beschäftigen René Benko (45) und der von seiner Signa Holding mittlerweile komplett übernommene Konzern Galeria Karstadt Kaufhof mehr denn je Medien, Politik und den Steuerzahler. Denn jetzt sollen die Gläubiger in dem aktuellen Insolvenzverfahren des Warenhauskonzerns zum zweiten Mal auf einen Milliardenbetrag verzichten, um dem Unternehmen einen Neuanfang zu ermöglichen. Und wieder kommt die Frage auf: Hat sich René Benko verzockt? Oder profitiert er gar von der Pleite?
Modell Benko: „Kaufen, luxussanieren, Mieten hochtreiben“
„Kaufen, luxussanieren und die Mieten hochtreiben: Das ist das Erfolgsmodell, mit dem der Innsbrucker René Benko vom 17-jährigen Schulabbrecher zum Immobilientycoon geworden ist“, schrieb jüngst die Zeit. Immer wieder hat Benko erzählt, wie er mit dem Ausbau von Dachböden zu Luxuswohnungen seine ersten Geschäfte machte. Er baute sich ein Immobilien-Reich auf, knüpfte ein namhaftes Netzwerk bis hinauf zu Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz – und spezialisierte sich mit seiner zur Jahrtausendwende gegründeten Signa-Gruppe auf Luxus-Immobilien in Spitzenlage. Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne, Strabag-Baulöwe Hans Peter Haselsteiner oder Autodynast Robert Peugeot – „sie alle vertrauen ihm ihr Geld an“, schrieb der Spiegel. Benkos Vermögen schätzte das Wirtschaftsmagazin Forbes im Jahr 2021 auf 5,6 Milliarden Euro. Zum Imperium des Immobilien-Tycoons gehören heute prestigeträchtige Bauten wie das KaDeWe-Warenhaus in Berlin, das Selfridges-Edelkaufhaus in London oder das Chrysler-Building in New York – und eben der zweitgrößte Warenhauskonzern Europas, Galeria Karstadt Kaufhof.
Milliardär Benko: Galeria Karstadt Pleite teilweise vom Steuerzahler finanziert
Doch der Konzern hat Ende Oktober schon zum zweiten Mal in weniger als drei Jahren Rettung unter dem sogenannten Schutzschirmverfahren – einem besonderen Instrument im deutschen Insolvenzrecht – gesucht, um die Sanierung zu erleichtern. Schon im ersten Verfahren hatten Gläubiger auf Milliardenforderungen verzichtet, damit die Warenhäuser überleben können. Auch die Bundesregierung hat kräftig mitgeholfen, um die malade Kaufhauskette zu stützen. Insgesamt flossen rund 680 Millionen Euro Steuergeld aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes in das Unternehmen – mal als Kredit, mal als stille Einlage. Und nun sieht der Insolvenzplan, über den die Gläubiger Ende März in Essen abstimmen sollen, erneut einen Milliardenverzicht vor, wie die Wirtschaftswoche berichtet. Sollten die Gläubiger das Konzept ablehnen, werde „der Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen sein“, zitiert das Magazin aus einer ihm vorliegenden „Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Insolvenzplans“.
Auch ein Verkauf des Unternehmens als Ganzes komme in diesem Fall nicht in Betracht. Der Warenhauskonzern wollte den Bericht auf Anfrage nicht kommentieren. Betroffen wäre davon auch der Steuerzahler: Denn von den 680 Millionen Euro Stütze solle der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes laut Insolvenzplan nur rund 88 Millionen Euro aus der Verwertung des Warenbestands zurückerhalten. Zusätzlich solle er am Verkauf von Galeria-Töchtern wie der belgischen Kette Inno beteiligt werden.
Kritik an Benko: Nur an Premium-Immobilien interessiert
Kritiker werfen Benko schon seit Längerem vor, er habe Karstadt und Kaufhof vor allem deshalb übernommen, um an die Topimmobilien in den deutschen Innenstädten zu kommen. Die Insolvenz der Warenhäuser hänge auch damit zusammen, dass die Häuser hohe Mieten an die Immobiliensparte des eigenen Konzerns abliefern müssten. Der Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann rechnete im WDR vor, dass sich Warenhäuser ungefähr fünf Prozent ihres Umsatzes an Miete leisten könnten. Bei Karstadt seien die Größenordnungen aber teilweise doppelt so hoch. „Das wird niemals erwirtschaftet werden.“
Hinzu kommt, dass Benko offenbar die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) im Nacken sitzt. Denn die sorgt sich laut Wirtschaftskurier wegen der Kredite von Benkos Finanzholding Signa. Die Notenbank sei alarmiert, weil möglicherweise die Schulden von Benkos Finanzgruppe mehrere europäische Banken besonders belasten könnten. Hintergrund ist, dass Signa mit der russischen Sberbank zusammengearbeitet hat, der die EZB die Lizenz entzogen hat.
Benko steht in Österreich unter Korruptionsverdacht
Für den Staat wird Benko auch deshalb zum Problem, weil in seiner österreichischen Heimat Ermittlungen wegen Bestechungsverdacht gegen ihn laufen. Laut der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft soll er dem damaligen Generalsekretär im österreichischen Finanzministerium Thomas Schmid für die Unterstützung in einem Steuerprüfungsverfahren eine gut bezahlte Führungsposition in seinem Konzern angeboten haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
In einem anderen Korruptionsverfahren rund um Spenden für den Verein eines Lokalpolitikers im Gegenzug für Immobilienprojekte wurden Benko und neun weitere Angeklagte im Januar freigesprochen. Die Geschworenen kamen zu dem Schluss, dass es nicht ausreichend Beweise für den Vorwurf der politischen Korruption gebe. „Die Vorwürfe waren von Beginn an falsch und haltlos“, ließ Benko daraufhin über einen Sprecher mitteilen. „Damit ist das Thema für mich erledigt.“