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Rente in Deutschland: Zoff um Erhöhung - So gut haben es Ruheständler in Italien und Frankreich

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Von: Patrick Freiwah

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Experten warnen, dass das deutsche Rentensystem nur noch finanzierbar ist, wenn das Eintrittsalter weiter erhöht wird. In anderen Ländern sind Ruheständler teils viel besser dran.

Berlin/München - In Deutschland kocht die Debatte um eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters hoch, nachdem bekannt wurde, dass ein Expertengremium der Bundesregierung bzw. dem Wirtschaftsressort von Peter Altmaier (CDU) die Rente mit 68 als unumgänglich ansieht. Eine neue Studie prognostiziert sogar ein schlimmeres Szenario und hält einen drastischeren Schritt für notwendig.

Allerdings gibt es gute Gründe, bei dem von Wirtschaftswissenschaftlern erzeugten Schreckensszenario für das deutsche Rentensystem den Fokus auch ins Ausland zu richten: Schließlich wird aus dem bundesdeutschen Haushalt bei weitem nicht nur die Rentenversicherung subventioniert, weil die längst nicht mehr den benötigten Bedarf abdecken kann.

Deutsche Rentner benachteiligt? „Finanzieren teure Rentensysteme in Südeuropa“

Unter den EU-Mitgliedsstaaten gibt es gravierende Unterschiede bei der Absicherung nach Beendigung des Arbeitslebens. Vor Wochen hatte Prof. Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg in der Bild über den Verdacht gesprochen, dass Länder wie Italien oder Frankreich ihre wesentlich üppigeren Renten auch mit deutschen Hilfsgeldern aufrechterhalten. Andernfalls wären diese Länder selbst zur Anpassung ihres Rentensystems gezwungen.

Der Vorwurf, den der streitbare Ökonom äußerte, ist enorm - klingt jedoch nicht abwegig: „Durch Zuschüsse finanziert Deutschland die teuren Rentensysteme der südeuropäischen Staaten mit“, ist der 63-Jährige überzeugt - und schiebt eine Begründung nach: Im Zuge des milliardenschweren Corona-Hilfsprogramms der EU würde zwar viel Geld in notwendige Reformprojekte gesteckt – dazu jedoch finanziellen Löcher der heimischen Sozialsysteme gestopft.

Konkretisiert wird die Behauptung mit Beispielen von üppigen Zuwendungen für Italien (65 Mrd.) oder auch Spanien (59 Mrd.) - nicht auf Basis von Krediten, sondern als Geld, das nicht zurückgezahlt werde. So würden die Menschen in vielen südeuropäischen Staaten „kürzer arbeiten und kassieren deshalb länger Rente“. Was ist dran an der These?

Vergleicht man die Rentensysteme bestimmter EU-Länder, scheint die deutsche Bevölkerung in der Tat schlechter dazustehen:

Deutschland: Hierzulande wird das gesetzliche Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 angepasst, der Beitragssatz in Deutschland beträgt derzeit 18,6 Prozent (teilen sich Arbeitgeber und -nehmer jeweils zur Hälfte). Dafür gibt es ein Rentenniveau in Höhe von 51,9 Prozent des Nettoeinkommens, wie eine Auswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2019 ergab. Die durchschnittliche gesamte Arbeitszeit der Bevölkerung liege bei 39,1 Jahren, ehe der Ruhestand eintritt.

Rentensysteme in Italien, Frankreich und Co.: Ruhestand in anderen EU-Ländern

Italien: Über die prozentual höchste Rentenauszahlung aller EU-Bürger dürfen sich Italiener freuen. 91,8 Prozent vom letzten Nettoeinkommen bekommen Rentner überwiesen, während das Eintrittsalter vergleichsweise niedrig liegt: Bereits nach 35 Arbeitsjahren habe die Bevölkerung Anspruch die volle Rente. Die durchschnittliche Arbeitszeit liege angeblich bei 32,0 Jahren. Dazu gehören jedoch Kehrseiten: Der Verdienst im Berufleben ist im Schnitt niedriger, außerdem zahlen Italiener Rentenbeiträge in Höhe von 33 Prozent des Gehalts, wie die Bild ausführt. Zwei Drittel davon übernimmt der Arbeitnehmer.

Österreich: Im südlichen Nachbarland gehen Menschen mit 65 in Rente, dafür bekommen sie jedoch wesentlich mehr Geld: durchschnittlich offenbar 89,9 Prozent vom letzten Arbeitseinkommen. Ein Grund ist, dass Österreich seinen Rentnern ein 100-prozentiges Urlaubs- und ein 100-prozentiges Weihnachtsgeld spendiert. Das Rentensystem gilt aus weiteren Gründen als deutsches Vorbild - erhört wurden diese Rufe seitens Bundesregierung bislang nicht. Allerdings ist der Beitragssatz in der Alpenrepublik höher, den größeren Teil übernimmt der Arbeitgeber.

Frankreich: In unserem südwestlichen Nachbarland gibt es Grund zur Zufriedenheit - in der Rente winken 73,6 Prozent vom letzten Einkommen. Dabei arbeiten Franzosen in der Regel 35,4 Jahre, ehe es in den Ruhestand geht. Das Rentensystem in Frankreich gilt als großzügig - und Präsident Emmanuel Macron weiß um diesen Zustand. Jedoch erzeugt das Staatsoberhaupt in der Bevölkerung schon länger Widerstand wenn es darum geht, Anpassungen vorzunehmen:

Vergleich der Rentensysteme: Deutsche Bürger statistisch mit weniger Bezugsjahren

Am meisten arbeiten müssen laut der Auswertung übrigens dieMenschen auf Island: Hier geht es angeblich erst nach einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 45,8 Jahren in Rente. Im Vergleich zu Deutschland ist jedoch das Einkommen höher - 69,8 Prozent vom Nettogehalt.

Ebenfalls auf Daten der OECD bezieht sich übrigens ein Bericht der Welt am Sonntag: Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer liege in Frankreich für Männer bei 22,7 Jahren, bei Frauen sogar 26,9 Jahre. Spanien kommt auf 21,7 (Männer) und 26,6 Jahre (Frauen). Und Deutschland? Hier beziehen Männer der Auswertung zufolge lediglich 19,1 Jahre und die Frauen 22,5 Jahre lang ihre Rente, bevor das Leben zu Ende ist. Nur in Schweden können Rentner laut der Statistik noch weniger ihren Ruhestand genießen: die Männer 18 Jahre und Frauen 21,3 Jahre. (PF)

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