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Milliardenstreit um Doppelbesteuerung der Rente: Wer betroffen ist und um wie viel Geld es geht

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Von: Jonas Raab

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Der Bundesfinanzhof in München muss die Frage entscheiden, ob Ruheständler zu viel Steuern bezahlt haben. Alle wichtigen Fragen und Antworten rund um den Milliardenstreit lesen Sie hier.

München - Zahlen Sie im Alter zu viele Steuern? Diese Frage treibt Millionen Deutsche um. Im Mai wird sich auch der Bundesfinanzhof (BFH) mit dieser Frage auseinandersetzen. In zwei Verfahren sollen Grundsatzurteile den lange schwelenden Streit um eine mögliche Doppelbesteuerung der Rente beilegen. Ein Interview mit dem Mann, der den Stein ins Rollen brachte, lesen Sie hier.

Die Urteile, die der BFH voraussichtlich Ende Mai verkündet wird, dürften weitreichende Folgen haben. Für angehende Rentner geht es um mehrere Tausend Euro, für den Staat sogar um Milliarden. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Doppelbesteuerung der Rente: Worum geht es im Streit eigentlich?

Versicherte (und meist auch deren Arbeitgeber) zahlen Beiträge zur gesetzlichen Rente, um Ansprüche für das Alter aufzubauen. Die dafür geltenden Steuerregeln wurden 2005 grundlegend geändert. Seitdem fällt erst bei Auszahlung der Rente eine Steuer an. Für künftige Rentner zahlt sich das aus, schließlich sind die Steuersätze im Alter meist niedrig.

Die Umstellung der Steuerregeln forderte allerdings eine Übergangsregelung, schließlich gab es 2005 Millionen Rentner und Rentenversicherte, die bis dahin nach den alten Regeln besteuert wurden. Der Übergang soll stufenweise funktionieren: Rentenbeiträge können erst ab 2025 voll steuerfrei eingezahlt werden. Rentner müssen erst bei einem Ruhestandsbeginn ab 2040 ihre Rente voll versteuern. Im Streit um Doppelbesteuerung geht es im Kern darum, ob diese Übergangsregelung fair ist – also, ob heute um die 40- bis 50-Jährige, die bis 2040 in die Rente eintreten, zu viel Steuern zahlen müssen.

Wann gilt eine Rente als doppelt und deshalb zu hoch besteuert?

Eine eindeutige Definition gibt es nicht. Laut Wirtschaftswoche gilt eine Rente laut einem BFH-Urteil von 2015 dann als doppelt besteuert, wenn die Summe der steuerfrei gestellten Renten im Alter geringer ist als die während des Erwerbslebens gezahlte Summe an Rentenbeiträgen, die das Finanzamt nicht steuermindernd berücksichtigt hatte. „Anders gesagt: Jeder Rentner muss später wenigstens so viel Rente steuerfrei erhalten, wie er an Beiträgen aus seinem versteuerten Einkommen gezahlt hat.“ Ist das nicht der Fall, werde ein bereits versteuerter Beitrag bei der Auszahlung erneut besteuert – es liegt also eine Doppelbesteuerung vor.

Das Problem - und somit auch die Ursache für den ganzen Steuerstreit - liegt in der Berechnung der steuerfreien Rentensumme und der steuerpflichtigen Beitragssumme. Laut dem Mannheimer Steuerberater Heinrich Braun und dem Saarbrücker Finanzmathematiker Klaus Schindler liegt eine Doppelbesteuerung nämlich dann vor, „wenn der steuerfrei gestellte Anteil des Renteneinkommens geringer ist als der versteuerte Anteil der Rentenbeiträge“. Klingt ähnlich, ist es aber nicht. Die Lebensdauer spielt in diesem Ansatz beispielsweise keine Rolle. Es ist aber eben nicht die gängige Definition. Wie sich der Bundesfinanzhof hier positioniert, gilt als offen.

Um wie viel Geld geht es für künftige Rentner bei der Doppelbesteuerung?

Berechnungen des Finanzmathematikers Werner Siepe ergaben schon vor Jahren, dass die Doppelbesteuerung über die gesamte Rentenzeit bis zu 20.000 Euro erreichen kann. Laut Wirtschaftswoche legte Siepe bei seinen Berechnungen die gängige(re) Definition der Doppelbesteuerung und strenge Rechenregeln zu Gunsten der steuerzahlenden Rentner an. Bei den beiden Verfahren am Bundesfinanzhof geht es also um viel - und die Zukunft einer ganzen Rentner-Generation.

Privatversicherte, Beamte und Co.: Wer ist von der Doppelbesteuerung der Rente betroffen?

Rein rechnerisch können etwa um 2015 in die Rente gestartete Menschen von der Doppelbesteuerung betroffen sein. Dazu schrieb Egmont Kulosa, Richter am Bundesfinanzhof, vor einiger Zeit in einem Fachbeitrag: „Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übung, um bei den Angehörigen der heute mittleren Generation, die um das Jahr 2040 in den Rentenbezug eintreten wird, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen.“ Für alle Rentner, die bis 2015 in den Ruhestand gingen, sei eine Doppelbesteuerung noch auszuschließen. Dann werde es aber kritisch.

Aber welche Rolle spielt die Art der Rentenversicherung? Die 2005 aktualisierten Steuerregeln greifen auch für Renten aus Versorgungswerken, etwa bei Ärzten oder Anwälten. Bei privaten Rentenversicherungen gelten hingegen andere Steuerregeln, allerdings deutet auch hier einiges auf eine zu hohe Belastung hin. Lediglich Beamten können aufatmen. Hier stellt sich das Problem nicht, weil überhaupt keine Beiträge für die spätere Pension gezahlt werden müssen. Sie wird allein vom Staat finanziert.

Was kann man im Fall einer Doppelbesteuerung der Rente unternehmen?

Grundsätzlich gilt: Die Entscheidungen des BFH lassen sich auch auf andere Fälle übertragen. Das berichtet ruhr24.de*. Gegen eine Doppelbesteuerung kann man erst nach Renteneintritt vorgehen. Beitragszahlern, die eine zu hohe Besteuerung vermuten, sind die Hände gebunden. Betroffene Rentner können Einspruch gegen noch offene Steuerbescheide einlegen. Laut Wirtschaftswoche würden sich Finanzämter derzeit allerdings häufig weigern, Einspruchsverfahren wegen der anhängigen BFH-Verfahren ruhend zu stellen. Damit müssten Betroffene selbst aktiv werden und womöglich sogar klagen. Für alle künftigen Rentner gilt es deshalb, abzuwarten und auf positives BFH-Urteile Ende Mai zu hoffen. Ein kleiner Lichtblick: Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung hat kürzlich Hoffnung auf eine Rentenerhöhung im kommenden Jahr gemacht, nachdem die Coronakrise 2021 für einen Ausfall der Rentenerhöhung im Westen sorgte. *ruhr24.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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