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Öl-Embargo gegen Russland: Welche Folgen hat der Kompromiss der EU?

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Von: Lisa Fischer

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Die EU-Staaten haben sich mit Blick auf das Öl-Embargo gegen Russland auf einen Kompromiss geeinigt. Diese Folgen hat die Entscheidung.

Brüssel – Ursprünglich hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, den Import von Rohöl aus Russland binnen sechs Monaten zu beenden. Nun haben sich die EU-Staaten nach wochenlangem Streit um ein geplantes Öl-Embargo gegen Russland beim Gipfeltreffen in Brüssel auf einen Kompromiss geeinigt. Es gibt jedoch Ausnahmen.

EU einigt sich auf Öl-Embargo-Kompromiss: keine Lieferungen mehr über den Seeweg

Was ist passiert?

Bei einem EU-Gipfel in Brüssel haben sich die Staaten auf ein Teil-Embargo geeinigt. Russische Öl-Lieferungen über den Seeweg sollen unterbunden werden. Aber: Lieferungen über die Pipelines werden weiterhin möglich sein. Dieser Ausnahme-Lösung haben die Staaten auf Druck Ungarns hin zugestimmt. Details der Vereinbarung wurden noch am Mittwoch von den ständigen Vertretern der EU ausgearbeitet. Im Anschluss könnte das Sanktionspaket dann förmlich beschlossen werden.

Wie viel Prozent des Rohöls wird aus Russland über den Seeweg in die EU importiert?

„Zwei Drittel über den Seeweg und ein Drittel über die Druschba-Pipeline. Für letztere gibt es mit Rücksicht auf Ungarn, die Slowakei und Tschechien eine Ausnahmeregelung vom Embargo“, sagt Carsten Fritsch, Rohstoff-Analyst bei der Commerzbank AG.

Wird Russland das Teil-Embargo schmerzen?

„Das Teil-Embargo ist eigentlich ein Voll-Embargo“, sagt Fritsch. „Denn bis zum Ende des Jahres will die EU 90 Prozent der russischen Ölimporte ersetzen.“ Russland sei es jedoch in den letzten Monaten gelungen, keinen nennenswerten Rückgang bei den Ölexporten zu verzeichnen, so Fritsch. Ein Grund könnte sein, dass Russland Exporte nach China und Indien verstärkt hat. Laut Fritsch wird es aber einen gewissen Rückgang früher oder später geben. „Aber selbst wenn Russland zum Beispiel nur noch 60 Prozent seines Rohöls verkaufen kann, wird dieses mit höheren Preisen auf dem Weltmarkt gehandelt als vor einem Jahr.“

Öl-Embargo „light“ gegen Russland: Das sind die Folgen für Deutschland

Was bedeutet das für Deutschland?

Für Deutschland sieht die Lage nach dem EU-Kompromiss so aus: Nach Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist der Anteil russischen Öls am deutschen Verbrauch gesunken, von 35 Prozent vor dem Ukraine-Krieg auf aktuell 12 Prozent. Tankeröl – vor dem Krieg etwa ein Drittel der Menge – sei ersetzt, sagte Habeck Anfang Mai. Da ändert der EU-Beschluss also nichts. Zwei Drittel der deutschen Ölimporte aus Russland kamen vor dem Krieg aber über die Druschba-Pipeline in die großen ostdeutschen Raffinerien in Leuna und in Schwedt.

Inwieweit betrifft das jetzt besprochene Öl-Embargo die Pipeline in Ostdeutschland?

Theoretisch könnten Leuna und Schwedt nach dem EU-Beschluss weiter über die „Druschba“ beliefert werden, da die Pipeline ja vom Embargo vorerst ausgenommen ist. Doch haben Deutschland und Polen beim EU-Gipfel eine sogenannte Protokollerklärung abgegeben: Sie bekräftigen schriftlich, den Kauf von russischem Öl bis Ende des Jahres zu stoppen. Praktisch gilt die „Pipeline-Ausnahme“ also nur für Ungarn, die Slowakei und Tschechien.

In Schwedt endet die Druschba-Pipeline für russisches Öl, von dort werden große Teile vor allem Ostdeutschlands mit Ölprodukten versorgt. Die Raffinerie gehört dem russischen Konzern Rosneft und ist der wichtigste Lieferant für Mineralölerzeugnisse im Raum Berlin-Brandenburg. Laut der Gewerkschaft IGBCE arbeiten rund 1200 Menschen in der PCK-Raffinerie, hinzu kommen mehrere hundert Arbeitsplätze bei Zulieferern.

EU einigt sich auf Öl-Embargo: Droht nun ein Engpass an deutschen Tankstellen?

Wie wirkt sich das Teil-Embargo auf die Preise aus?

Experten trauen sich dazu aktuell keine Schätzung abzugeben. Rohstoff-Analyst Fritsch beobachtete am Dienstag: „Der Brent-Preis an der Börse steigt aktuell schon deutlich und ist der höchste Wert seit Anfang März. Auch der Dieselpreis an der Rohstoffbörse steigt bereits spürbar.“

Was bedeutet der Kompromiss für den Rohöl-Weltmarkt?

Laut Carsten Fritsch wird sich der Handel verschieben. „Wahrscheinlich wird Indien mehr Öl von Russland importieren und die EU dafür mehr von Westafrika, Nordafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten.“ Zudem hätten die USA in den vergangenen Monaten ihre Rohölexporte deutlich ausgeweitet. „Aktuell sind es rund vier Millionen Barrel pro Tag“, sagt Fritsch. Man könne davon ausgehen, dass auch hiervon ein gewisser Teil nach Europa geht.

Droht ein Engpass an den Tankstellen?

Der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, befürchtet einen Spritmangel in Europa. „Auf den Ölmärkten könnte es im kommenden Sommer eng werden“, sagte er dem „Spiegel“. Analyst Fritsch meint: „Es dürfte schwierig werden, die drei Millionen Barrel pro Tag, die aus Russland wegfallen werden, problemlos anderweitig zu ersetzen. Da kann es kurzzeitig zu gewissen Engpässen kommen.“ So dürfe es etwas dauern, bis die EU alternative Lieferanten gefunden hat. Zudem müssten Raffinerien auf die Verarbeitung anderer Ölsorten umgestellt werden. Allerdings habe die EU ja noch strategische Ölreserven. Es würde Sinn ergeben, diese dann freizugeben, so Fritsch. (LISA FISCHER)

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