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Software-Patente ausgebremst: Polen stoppen Verfahrens-Trick

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- Brüssel - Das Vorgehen war zumindest merkwürdig. Im Agrar- und Fischereiausschuss wollte der EU-Rat einen umstrittenen Richtlinienentwurf zur Patentierung von Software durchwinken. Das Vorgehen scheiterte am Einspruch Polens. Dagegen hielt sich die deutsche Politik bedeckt.

Landwirtschaftsministerin Renate Künast, sonst nicht maulfaul, schickte den ständigen Vertreter der Regierung in Brüssel, Peter Witt. Denn die grüne Basis steht mit der Regierungslinie auf Kriegsfuß. Diese wird von Justizministerin Brigitte Zypries bestimmt, die für die weitgehende Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" kämpft. Die Volksvertreter neigen dagegen quer durch die Fraktionen mehrheitlich einer ablehnenden Haltung zu.

Auch die Wirtschaft ist gespalten: Während große Unternehmen wie Siemens, Nokia und Microsoft ihre Erfindungen gerne patentrechtlich schützen wollen, finden kleinere Betriebe und die Vertreter freier Software, das bereits geltende Urheberrecht biete genug Schutz. Sie fürchten, sich zeit- und kostenintensive Patente nicht leisten zu können, und von den Großen, die über Rechtsabteilungen verfügen, in patentrechtliche Auseinandersetzungen gezogen zu werden.

Ein abschreckendes Beispiel läuft derzeit in den USA ab. Dort lähmt die Softwarefirma SCO mit der Behauptung, sie habe die Rechte an Teilen von Linux, einzelne Unternehmen, die sie verklagt hat.

Auch die Spitzenverbände der Wirtschaft sind sich in dieser Frage nicht einig. Der Bundesverband der deutschen Industrie steht auf der Seite der Großen, der Verband der mittelständischen Wirtschaft ist strikt gegen Softwarepatente.

Die polnische Regierung hat ihre Position gewechselt. War sie anfangs für die Patentierung, wurde sie zunehmend skeptisch. Offenbar hat die Branche in den aufstrebenden Staaten Osteuropas die Befürchtung, zum juristischen Spielball von Technologieriesen zu werden.

Eigentlich war in Brüssel eine geräuschlose Verabschiedung geplant. Keine Aussprache, keine Diskussion. Denn seit Monaten mehren sich die Zeichen, dass es bei einer erneuten Abstimmung keine Mehrheit mehr für die Softwarepatente gibt, weil mehrere Regierungen auch unter dem Druck der nationalen Parlamente ein Umschwenken andeuteten.

Der polnische Wissenschafts-Staatssekretär Wlodzimierz Marcinski durchbrach die von der niederländischen Regierung - die derzeit den Vorsitz führt - eingeplante Schweigerunde und drängte auf "öffentliche Beratung" und schließlich auf Vertagung. Das macht ihn zum Helden der Patentgegner. Deren Verband (FFII) lobte Polen als "Retter der Europäischen Demokratie". Und Florian Müller, Kampagnenleiter von "Nosoftwarepatents.com", ergänzte: "Europa hat auch an Weihnachten nichts zu verschenken, und schon gar nicht unsere heimischen Softwaremärkte an ein paar US-Konzerne, die lieber prozessieren als programmieren."

Die Vertreter Europas sind tief gespalten. Während die EU-Kommission und bislang auch die Vertreter der Länder-Regierungen im Rat für Softwarepatente eintreten, hat das Straßburger Parlament schon einmal einen entsprechenden ersten Entwurf zurückgewiesen. Rat und Kommission suchten daraufhin aber keine Kompromisslinie, sondern verschärften ihren ersten Entwurf sogar noch. Ein Affront mit Erfolgschancen, denn je länger sich ein Projekt hinzieht, desto geringer wird im Verfahren das Gewicht des Parlaments.

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