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Bayern hält an Gas aus Russland fest - Denn die Folgen für die Wirtschaft wären „dramatisch“

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Von: Kathrin Braun

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Wirtschaft und Regierung in Bayern wollen angesichts des Ukraine-Konflikts einen Boykott beim Gas aus Russland verhindern. „Dramatische Folgen“ für Unternehmen wären die Folge.

München – An diesem Tag versucht niemand, die bittere Erkenntnis schönzureden: Ohne Putins Gas geht erst mal nichts – vor allem nicht in Bayern. „Wir warnen davor, über die scharfen Sanktionen gegen Russland hinaus noch einen Energie-Boykott zu verhängen“, sagt Bertram Brossardt, Chef der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Kurz davor haben Vertreter aus Industrie und Handwerk mit der Staatsregierung nach Lösungen für das Problem gesucht. Das Fazit des Energiekonvents ist eindeutig: Es gibt keine. Jedenfalls nicht kurzfristig.

Die Folgen eines Energie-Embargos wären für Bayerns Wirtschaft „dramatisch“, sagt Brossardt. „220.000 Beschäftigte wären direkt betroffen.“ Ob in Chemie-, Glas-, Keramik- oder auch in Fleischverarbeitungs-Betrieben: Ohne Erdgas könnten sie nicht mehr produzieren. Auch die Metall- und Elektroindustrie würde leiden. Gas sei für die Herstellung von Produkten „unersetzlich“, mahnt er.

Energie aus Russland für Bayern besonders heikel - Embargo mit „schwersten Folgen“

Für Bayern ist das Thema sehr heikel. Denn der Freistaat ist vom russischen Gas besonders abhängig. „Mit der Energieversorgung steht es fünf vor zwölf“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er warnt vor einem „langangelegten Abstiegsszenario“, das sowohl wirtschaftlich als auch sozial „schwerste Folgen“ nach sich ziehen könnte.

„Es ist wichtig, sich unabhängig zu machen von russischen Energielieferungen“, erklärt er – und fügt im gleichen Atemzug ein „Aber“ hinzu: Das müsse „vernünftig“ erfolgen. Für Söder heißt das: Die letzten drei Atomkraftwerke Deutschlands länger am Netz lassen, mehr Tempo beim Ausbau von Erneuerbaren Energien und Stromleitungen machen – und Bayern dabei eine starke Position garantieren.

„Wir werden uns gegen alles wenden, was eine Benachteiligung des Südens ist“, betont er immer wieder. „Das Osterpaket der Regierung hatte leider kein Überraschungsei, sondern ein faules Ei, wenn es um Bayern geht.“ Der Bund lehne Wasserkraft ab und befördere Windkraft, sagte er. Dabei wolle Bayern Wasserstoff-Energie „sowohl als Nutzer als auch als Erzeuger“ stärker vorantreiben.

Ukraine-Konflikt fordert Bayern heraus - Söder und Aiwanger kritisieren Ampelregierung

Trotzdem zeigt Söder auch beim Thema Windkraft Bewegung: 500 „XXL-Windräder“ sollen in Bayern aufgebaut werden, auf die Zahl könne noch „deutlich“ etwas draufkommen. Er nennt Waldgebiete als potenzielle Windkraft-Flächen in Bayern. Kurzfristig fordert er eine Erhöhung der Pendler-Pauschale und ein Absenken der Energie-Steuer.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) klagt, bislang ließen die Ideen der Ampel die Mittelschicht außer Acht. „Die Grünen reden nur von den sozial Schwachen und Herr Lindner redet nur von seinem Tankrabatt.“ Bayerische Autofahrer würden derweil zum Tanken über die Grenze fahren, weil der Bund die Mineralölsteuer nicht senke. Auch Aiwanger warnt vor einem Boykott russischer Gaslieferungen aufgrund des Ukraine-Konflikts.

Markus Söder Anfang März auf der Bühne bei einer Großdemonstration gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine
Markus Söder Anfang März auf der Bühne bei einer Großdemonstration gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine. © Imago/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Wirtschaft in Bayern: Viele Firmen wegen Russland-Boykott mit „tiefen Sorgen“

Kritik an der Ampel gibt es auch von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Chef Manfred Gößl sagt: „Die Politik in Berlin richtet ihre Maßnahmen auf Verbraucher aus, das ist Sozialpolitik. Aber die Wirtschaft hat noch keine Unterstützung bekommen.“ Er erfahre von den Betrieben „tiefe Sorgen“ – etwa die Hälfte der Firmen sehe ihre Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr.

Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl appellierte an die jungen Bayern: Man solle sich überlegen, ob man jetzt „Theaterwissenschaften“ studiere oder lieber eine Handwerksausbildung angehe – für die Energiewende brauche Bayern genug Fachkräfte wie etwa Hochfrequenzelektriker.

Der Ukraine-Krieg verpasst auch der deutschen Konjunktur einen spürbaren Dämpfer und befeuert die rekordhohe Inflation.

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