Michels erläutert es an einem Beispiel: Es werden 5000 Rubel für einen Kubikmeter Gas vereinbart. Bei den derzeitigen Wechselkursen entspräche das einem Wert von circa 50 Euro. Wenn der Kurs des Rubel um 50 Prozent steigt, müsste Europa 75 Euro pro Kubikmeter Gas bezahlen, ohne dass der Vertrag geändert wurde.“ Diese wertvolleren Rubel könne Putin dann bei seiner Zentralbank gegen mehr Devisen eintauschen. „Diese braucht er, um Zinsen und Rückzahlungen von Staatsanleihen zu bezahlen. Allein im April werden rund zwei Milliarden Euro fällig. Diese muss er begleichen, weil er sonst international als kreditunwürdig gilt“, erklärt Michels. Denn: „Nach dem Krieg wird Putin dringend Geld brauchen, um seinen Haushalt zu sanieren.“
Die Aufwertung des Rubels hätte auch eine psychologische Wirkung: „Es würde der Bevölkerung zeigen, dass ihre Währung gefragt ist. Wegen des Kurssturzes waren viele Russen aus dem Rubel in andere Werte geflohen, das schädigt auch das Vertrauen in den Staat.“ Wegen der vielen Sanktionen würde Russland beim Import aber wenig von einer stärkeren Währung profitieren, auch in der russischen Binnenwirtschaft hätte es nur geringe Auswirkungen.
Für Politik und Energiehändler stellt sich jetzt die Frage, ob sie sich auf Putins neue Verträge einlassen wollen. Für die Versorger ist es jedoch erst einmal unerheblich, ob russisches Gas teurer wird oder auf dem europäischen Markt fehlt, erklärt Detlef Fischer, Chef des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserversorger: „Für Gaskunden hängt alles davon ab, wie die Versorger in der Vergangenheit eingekauft haben. Wer wie die meisten etablierten Energielieferanten Jahre im Voraus einkauft, ist vor kurzfristigen Preisspitzen gefeit.“
Probleme gebe es dann für Versorger, die darauf gepokert hatten, an den kurzfristigen Spotmärkten günstige Preise zu ergattern. „Die hohen Preise müssen an die Kunden weitergegeben werden. Wenn das wegen Vertragsbindungen nicht möglich ist, geht der Versorger möglicherweise insolvent. Das haben wir Ende 2021 mit einigen Discountanbietern erlebt“, warnt Fischer.
Falls Putin vertragsbrüchig werde und im schlimmsten Fall die Lieferungen einstellte, könnte es jedoch an anderer Stelle Probleme geben: „Die Vorlieferanten, also jene, die das Gas an der Grenze ankaufen und an die Versorger weiterveräußern, geraten dann in eine Zwickmühle. Sie müssten sich an die alten, günstigen Tarife halten, die sie beispielsweise mit deutschen Stadtwerken abgeschlossen haben.“ Wenn die Importpreise zu sehr steigen, könnten die Vorlieferanten insolvent gehen. „Damit wären alle Abnahme-Verträge faktisch nicht mehr erfüllbar“, erklärt Fischer. Die Folge wäre eine Kaskade an Problemen: „Die Versorger müssten sich dann im freien Handel zu historisch hohen Preisen neu eindecken, die die Verbraucher – privat wie gewerblich – vor enorme Probleme stellen würden.“ Fischer warnt: Dieses Ergebnis würde uns – ebenso wie ein Gas-Embargo – mehr schaden als Putin.