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Globaler Wirtschaftskrieg: Handelsstreit der USA nimmt auch auf „Freunde” keine Rücksicht

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Von: Marc Beyer

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Vorfahrt für US-Autos: Amerikanische Hersteller wie Ford oder Tesla (im Bild) profitieren vom Gesetz zur Inflationsbekämpfung
Vorfahrt für US-Autos: Amerikanische Hersteller wie Ford oder Tesla (im Bild) profitieren vom Gesetz zur Inflationsbekämpfung. © Ding Ting/XinHua/dpa

Mit wuchtigen Maßnahmen wollen die USA die Abhängigkeit von China reduzieren. Dass darunter auch langjährige Verbündete leiden könnten, nimmt Washington offenbar in Kauf.

München – Der Name des Programms, an dem sich der ganze Streit entzündet, klingt wenig bedrohlich. „Inflation Reduction Act“ hat die US-Regierung das Papier genannt, das Präsident Joe Biden im August unterzeichnete, ein Paket zur Eindämmung der Inflation. Rund 400 Milliarden Dollar sollen in den nächsten Jahren als Subventionen in die heimische Industrie fließen, um im Kampf gegen die Erwärmung der Erde klimaneutrale Technologien zu fördern. Seinen Titel hat das Maßnahmenbündel, weil Steuerschlupflöcher geschlossen und das Haushaltsdefizit gesenkt werden sollen.

Energiekrise: Europa zwischen den Fronten eines globalen Handelsstreits

Aus amerikanischer Sicht mag viel guter Wille in dem Programm stecken, doch auf der anderen Seite des Atlantiks ist der Unmut immens. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire formulierte gerade gegenüber dem Handelsblatt einen Satz, den man eher im Zusammenhang mit einem geopolitischen Erzfeind erwarten würde. Er plädierte für „eine koordinierte, vereinte und starke Antwort“ der Europäischen Union – gerichtet ausdrücklich an „unseren amerikanischen Verbündeten“.

Selbst stabile Allianzen werden vor dem Hintergrund der Klima- und Energiekrise auf die Probe gestellt. Die Herausforderungen mögen global sein, doch wenn bei der Lösung nationale Interessen im Fokus stehen, wächst die Erklärungsnot auch gegenüber Partnern. In Europa verfestigt sich in jüngster Zeit der Eindruck, aufpassen zu müssen, im Jahre lodernden Handelsstreit der USA mit China nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Seit vergangener Woche gibt es eine Taskforce von EU und USA, die die Verwerfungen rund um das Inflationsbekämpfungsgesetz glätten soll. Konkret beklagen die Europäer die US-Maßnahmen zum Schutz nationaler Unternehmen auf dem Gebiet der Batterietechnik. Das Gesetz sieht vor, dass Käufer von E-Autos nur dann einen Nachlass von bis zu 7500 Dollar erhalten, wenn die Akkus überwiegend im eigenen Land produziert und zusammengesetzt sind. Selbst die verwendeten Rohstoffe sollen aus den USA stammen. Zunächst zu mindestens 40 Prozent, später sogar zu bis zu 80.

USA möchten von China unabhängiger werden - Europäische Firmen werden ausgebremst

Hintergrund ist das Bestreben, unabhängiger von China zu werden. Dass in der Folge auch europäische Wettbewerber ausgebremst werden könnten, war womöglich nicht beabsichtigt, wird aber offenbar in Kauf genommen. Statt bisher über 70 E-Auto-Modellen sollen künftig nicht mal mehr 20 gefördert werden.

Auch in der Halbleiter-Industrie hat die geopolitische Auseinandersetzung zwischen den USA und China längst auch Deutschland erreicht:

Die Rufe nach einer Überarbeitung der Regeln werden immer lauter – und zuweilen schriller. Man setze die Beziehungen zu wichtigen Verbündeten aufs Spiel, warnte jüngst die Interessenvertretung ausländischer Automobilkonzerne in den USA. Die Europäer fordern, dass auch ihre Fahrzeuge von den Steuervorteilen profitieren. Sollte man sich nicht annähern, schließt Le Maire selbst eine Klage bei der Welthandelsorganisation WTO nicht aus.

Globaler Handelsstreit stellt Europa auf die Probe - Lindner richtet kleine Warnung an USA

Die Autobranche steht dabei nur stellvertretend für Innovationsbereiche, in denen sich China und der Westen als Wettbewerber gegenüberstehen. Auch in der Chipindustrie (siehe Video) beklagen europäische Firmen eine US-Politik, deren Sanktionen Richtung Peking zielen – zuweilen in Form von Ausfuhrkontrollen, aber auch in Partnerländern Schaden anrichten.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) richtete diese Woche deshalb eine deutliche Botschaft an den transatlantischen Partner. Dessen Investitionsprogramm habe „ernsthafte Konsequenzen für die europäische Wirtschaft. Das müssen wir den USA vermitteln.“ Ein Handelskonflikt würde nur Verlierer produzieren.

Nach dem Scheitern des geplanten Freihandelsabkommens TTIP sei nun „vielleicht der richtige Zeitpunkt“ für eine Annäherung, glaubt Lindner. Eine kleine Drohung konnte er sich aber nicht verkneifen. Man dürfe in Washington auf keinen Fall verkennen, „dass wir unsererseits natürlich auch handlungsfähig wären“.

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