„Der Anfang vom Ende“: Beliebte Modekette muss Filialen schließen

Viele stationäre Händler leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie und der hohen Inflation. Jetzt steht der nächste Moderiese unter Druck.
Berlin – Lange war die Strategie der Modekette Primark, zu billigsten Preisen Kleidung zu verkaufen, äußerst erfolgreich. Doch nun schlittert das Unternehmen in eine große Krise, in Deutschland müssen die ersten Filialen schließen. Liegt das nur an der sinkenden Konsumlaune der Verbraucher?
Inflation: Menschen in Deutschland wechseln zu günstigeren Produkten
Immerhin schnallen die Menschen in Deutschland nach einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens NielsenIQ wegen der drastisch steigenden Preise den Gürtel enger. Gut die Hälfte der Verbraucher (52 Prozent) kaufe nach eigenen Angaben nur noch Produkte, die wirklich benötigt würden, berichtete NielsenIQ gestützt auf eine repräsentative Umfrage unter mehr als 10.000 Personen.
„Auffällig ist aktuell, dass sich immer mehr Menschen offenbar die Frage stellen, worauf sie am ehesten verzichten können und dies dann auch tun“, sagte der NielsenIQ-Experte Lothar Staiblin. „Daneben nutzen die Menschen aber auch viele andere Sparstrategien. Sie vergleichen stärker die Preise, achten mehr auf Sonderangebote, wechseln zu günstigeren Produkten wie Eigenmarken oder kaufen häufiger beim Discounter.“
Primark muss Filialen schließen – „Anfang vom Ende“
Das Paradoxe daran: Während Discounter wie Aldi und Lidl von der steigenden Sparsamkeit profitieren, schafft das Fast-Fashion-Händler Primark mit seinem Billig-Konzept nicht. 2023 will Primark der Fachzeitschrift Textilwirtschaft zufolge zwei Filialen schließen, eine davon in der Schlossstraße in Berlin und die andere in Weiterstadt bei Darmstadt. Die Pachtverträge dazu laufen kommendes Jahr aus.
Brancheninsider rechnen mit weiteren Schließungen. Ein Handelsexperte sagte der Wirtschaftswoche, man erlebe bei Primark in Deutschland gerade den „Anfang vom Ende“. Der Mutterkonzern ABF kündigte dem Magazin zufolge vor wenigen Wochen erst an, auf den Wert der Aktivitäten in Deutschland rund 240 Millionen Euro abzuschreiben und das Geschäft neu positionieren zu wollen. Gewerkschaften befürchten nun weitreichende Einschnitte.
Primark versicherte unterdessen der Wirtschaftswoche: „Wir bleiben unseren treuen Kunden in diesem wichtigen Markt verpflichtet und prüfen nun Optionen, um unser Geschäft in Deutschland langfristig wieder rentabel zu machen.“
Primark hat Online-Handel komplett verschlafen
Doch dem Konzern muss nicht nur wegen der steigenden Energiepreise und der sinkenden Kauflaune der Verbraucher aufgrund der Inflation kämpfen. Primark hat auch den Online-Handel komplett verschlafen, was dem Unternehmen dann während der Corona-Pandemie auf die Füße fiel. Seit 2019 haben sich die Umsatzerlöse des Fast-Fashion-Händlers in Deutschland mehr als halbiert: Sie sanken von einst 916 Millionen im Jahr 2019 auf 380 Millionen im vergangenen Jahr.
Dazu kommt, dass das Unternehmen laut Wirtschaftswoche zu ehrgeizig expandiert habe: große Ladeflächen in teurer Innenstadtlage in deutschen Großstädten sorgen für hohe zusätzliche Kosten. Währenddessen floriert die chinesische Konkurrenz, der Fast-Fashion-Händler Shein, in Deutschland – und das vor allem online.
Mit Material der dpa