Zoff um Windkraft-Ausbau: „Fehlschlag“ - Bayerische Wirtschaft legt sich mit Söder an

Der Ausbau der Windenergie in Bayern ist ins Stocken geraten. Kritiker verweisen auf die harten Vorgaben im Freistaat. Jetzt fordert auch die bayerische Wirtschaft die Staatsregierung zu Lockerungen auf.
München – Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) macht Front gegen die 10H-Abstandsregel für Windräder in Bayern. „Wir müssen leider feststellen, dass die 10H-Regelung ein Fehlschlag war, also brauchen wir sie auch nicht mehr“, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt am Mittwoch in München.
Laut der 10H-Regel muss der Abstand eines Windrades in der Regel mindestens das Zehnfache der Bauhöhe betragen muss - bei 200 Meter Rotorhöhe entspricht dies also zwei Kilometern. Die auf Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zurückgehende Vorschrift hat den Ausbau der Windenergie in Bayern damit quasi zum Erliegen gebracht.
Windkraft-Ausbau: Druck auf CSU wächst
Angesichts der Regelung hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt*, mit der Staatsregierung über eine Regeländerung sprechen zu wollen. Nun geht auch die Bayerische Wirtschaft auf Konfrontationskurs.
Der öffentliche ausgetragene Konflikt ist ungewöhnlich. Die vbw pflegt traditionell enge Beziehungen zur CSU, Brossardt nennt den einstigen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu seinen „Ziehvater“. CSU-Generalsekretär Markus Blume hatte seinerseits erst am Vortag betont, dass an der 10H-Regel nicht gerüttelt werden solle.
Prognos-Studie: Netzausbau im Freistaat hinkt hinterher
Laut Energiewende-Monitoring der vbw hängt die Energiewende auch in Bayern in mehreren Bereichen nach wie vor hinter den politischen Zielen zurück, insbesondere beim Netzausbau. Ausgearbeitet wird die alljährliche Studie vom Basler Prognos-Institut. Ende dieses Jahres sollen die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden, darunter Isar II in der Nähe von Landshut.
Von Bedeutung für Bayern ist vor allem die Frage der Versorgungssicherheit, da die heimische Stromerzeugung den Bedarf nicht mehr deckt. Der Bau der geplanten beiden großen Stromtrassen „Südlink“ und „Südostlink“ von Schleswig-Holstein beziehungsweise Sachsen-Anhalt nach Bayern hat sich jedoch stark verzögert.
„Bei der Versorgungssicherheit sind wir, was die Frage der Netze angeht, wirklich in einer sehr, sehr kritischen Bewertung“, sagte Studienautorin Almut Kirchner. Deswegen favorisiert auch die vbw den Ausbau der Windkraft. „Die Energiewende wird nicht ohne Zumutungen und Eingriffe in unser Landschaftsbild gelingen“, sagte Brossardt dazu.
Expertin: Bei Umbau der Gebäudeheizung zeigt sich das „ganz Ausmaß des Elends“
Beim Umbau der Gebäudeheizung - einem wichtigen Faktor bei den Treibhausgasemissionen - gab es laut Prognos in Bayern ebenso wie in ganz Deutschland nur minimale Fortschritte. In diesem Bereich zeige sich das „ganze Ausmaß des Elends“, sagte Kirchner.
Demnach sind alte Öl- und Gasheizungen bislang nur in wenigen Gebäuden ausgetauscht worden, und auch bei Neubauten ist die Lage nicht viel besser: „Es werden im wesentlichen Gasheizungen zugebaut“, sagte die Physikerin, die bei dem Beratungsunternehmen den Bereich Energie und Klimaschutz leitet. Brossardt beklagte, in Sachen Energiewende gebe es seit 20 Jahren politische Ankündigungen. „Aber beim Machen sind wir nicht vorangekommen.“ (dpa/utz) Merkur.de ist Teil von IPPEN.MEDIA.