1. Startseite
  2. Wirtschaft

Wirecard: Insolvenz-Verwalter treibt Verkäufe voran - Verhandlungen um US-Tochter vor entscheidender Phase

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Naima Wolfsperger

Kommentare

Das Logo von Wirecard an der Fassade des Firmensitzes ins Aschheim. Die Resteverwertung läuft auf Hochtouren.
Das Logo von Wirecard an der Fassade des Firmensitzes ins Aschheim. Die Resteverwertung läuft auf Hochtouren. © dpa/Peter Kneffel

Bei der Verwertung der werthaltigen Teile des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard kommt der Insolvenz-Verwalter offenbar gut voran. Auch der Verkauf der US-Tochter kommt in die entscheidende Phase.

Update vom 8. September, 15.42 Uhr: Bei den Verhandlungen um den Verkauf von Unternehmensteilen des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard kommt Insolvenzverwalter Michael Jaffé weiter voran. Aktuell stünden Gesellschaften mit insgesamt rund 1500 Mitarbeitern vor dem Verkauf, sagte ein Sprecher am Dienstagnachmittag gegenüber Merkur.de*.

So gebe es zahlreiche Investoren, die an einer Übernahme der rumänischen Landesgesellschaft interessiert seien, hieß es. Zudem gebe es großes Interesse an der vietnamesischen Wirecard Company Ltd.  sowie den beiden indonesischen Gesellschaften PT Wirecard Technologies Indonesia und der PT Prima Vista Solusi. Hier lägen mehrere indikative Angebote vor. Die Wirecard-Tochter PT Prima Vista Solusi bietet unter anderem Bezahlterminals und gehört mit rund 600 Mitarbeitern zu den größeren Einzelgesellschaften im weit verzweigten Unternehmensgeflecht von Wirecard.

Zugleich treibt Jaffé auch den Verkauf der US-Tochter weiter voran. Hier würden derzeit „verbindliche Angebote erwartet“, heißt es aus informierten Kreisen. Dazu wollte sich ein Sprecher des Insolvenzverwalters jedoch nicht äußern. Die Gespräche „seien vertraulich“, hieß es.

Die möglichen Verkaufserlöse kommen den Gläubigern zugute. Allerdings dürften viele auf einem Großteil ihrer Ansprüche sitzen bleiben. 

Wirecard-Skandal greift um sich: „Abgrund des Lobbyismus“ in Merkels Haus - und Hinweise in Bayern versandet?

Update vom 1. September, 19.25 Uhr: Verdachtsmeldungen der Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls zu Wirecard versandeten nach Einschätzung von Abgeordneten in Bayern - bei der dortigen Staatsanwaltschaft. Diese weist die Kritik zurück. Anfang 2019 habe die so genannte Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls zwei „sehr werthaltige“ Meldungen an das Landeskriminalamt Bayern gemacht, sagte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann am Dienstag am Rande einer zweitägigen Sondersitzung des Finanzausschusses zu Wirecard.

Dabei ging es Zimmermann zufolge um Wirecard-Vorstände, die in merkwürdige Transaktionen verwickelt gewesen sein sollten. Diese „Smoking Gun“ sei aber dann von der Staatsanwaltschaft offenbar nicht weiter verfolgt worden. „Das ist natürlich ein Punkt, der schon aufhorchen lässt“, sagte Zimmermann, der von einer „heißen Spur“ sprach.

Die Staatsanwaltschaft München I wies die Kritik am Dienstag zurück. Es sei „keinesfalls zutreffend“, dass Geldwäscheverdachtsmeldungen bei ihr versandet seien. Nach einer Ende Februar 2019 eingegangenen Verdachtsmeldung sei umgehend ein Prüfverfahren eingeleitet worden. Im Dezember 2019 sei es aber nach „umfangreichen Ermittlungen“ abgeschlossen worden, da kein Anfangsverdacht für eine begangene Straftat habe hergeleitet werden können. Damals habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass Bilanzsumme und Umsätze bei Wirecard aufgebläht worden seien,

Kritik an der Staatsanwaltschaft kommt auch vom FDP-Abgeordneten Florian Toncar. Er bemängelte, das Verfahren sei viel zu schnell eingestellt worden. „Hätte man da ernsthafter weiter ermittelt, hätte man vielleicht auch Zweifel bekommen insgesamt an den handelnden Personen bei Wirecard“ - und auch Berichte über Marktmanipulationen wären dann in anderem Licht erschienen.

Wirecard-Pleite: Opposition will Untersuchungsausschuss - Grüne sehen „Abgrund von Lobbyismus beim Kanzleramt“ 

Update vom 1. September, 15.55 Uhr: Die politische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals soll ein Bundestags-Untersuchungsausschuss übernehmen. Nach AfD, FDP und Linke sprachen sich nun auch die Grünen dafür aus, wie der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz am Dienstag nach einer Sondersitzung des Finanzausschusses in Berlin sagte. FDP, Linke und Grüne haben zusammen die nötige Stimmenzahl für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und wollen gemeinsam abstimmen.

„Trotz der vielen Sondersitzungen und trotz der vielen Fragenkataloge hat es die Bundesregierung nicht geschafft, den Fall Wirecard lückenlos und gründlich aufzuarbeiten“, sagte Bayaz. Seine Fraktionskollegin Lisa Paus sprach von einem „regelrechten Abgrund beim Thema Lobbyismus beim Kanzleramt“.

Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, muss ein Viertel der 709 Abgeordneten im Bundestag zustimmen - FDP, Grüne und Linke haben zusammen 216 Sitze. Auf die Stimmen der AfD wollen sich die anderen drei Fraktionen nicht stützen.

„Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat sie vor schwerster Kriminalität schützt, aber sie bedürfen eben auch des Schutzes vor politischen Entscheidungsträgern, die erst wegschauen und sich hinterher wegducken“, sagte der FDP-Abgeordnete Florian Toncar.

Wirecard: Untersuchungsausschuss mit weitreichenden Befugnissen

Untersuchungsausschüsse können Zeugen und Sachverständige laden und Akteneinsicht verlangen. Die Ermittlungen sind allerdings zeitaufwendig, und die Zeit für den Wirecard-Ausschuss, der wegen der Bundestagswahl im kommenden Herbst wohl allenfalls bis zur Sommerpause arbeiten könnte, ist kurz.

Ziel sei es, sich mit Linken und Grünen so schnell auf einen Arbeitsauftrag für den Ausschuss zu einigen, dass dieser schon in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden könne, sagte Toncar. Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi erwartet, dass es so kommt: „Wir können uns sehr zügig hier verständigen.“

Wirecard-Skandal: Brisante Entwicklung mit Putin-Verbindung - jetzt rückt auch Kanzlerin Merkel in Fokus

Ursprungsartikel vom 31. August 2020: Berlin - Der Wirecard-Skandal erschüttert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die deutsche Politik. Zur Debatte stehen nicht nur die Versäumnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Frage nach der frühen Flucht des Wirecard*-Vorstands Jan Marsalek - auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht im Kreuzfeuer des Skandals. Eine Sondersitzung des Finanzausschusses soll nun Licht ins Dunkel bringen. Der Erfolg bleibt abzuwarten.

Der gesuchte Wirecard-Vorstand Jan Marsalek soll sich nach Angaben des Handelsblatts in einem Anwesen westlich der russischen Hauptstadt Moskau aufhalten. Wie das Blatt von Bekannten Marsaleks erfahren haben will, stehe er dort unter der Kontrolle des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR. Bereits im Juli wurden Gerüchte laut, nach welchen Marsalek in Belarus (Weißrussland) geflüchtet sei. Der SWR soll sich dort seiner angenommen haben. In Russland sei der ehemalige Wirecard-Vorstand „sicherer“. Marsalek habe die Zusicherung erhalten, nicht ausgeliefert zu werden.

Wirecard-Skandal: Ex-Vorstand Marsalek offenbar in Russland - verschärft sich der Konflikt zwischen Merkel und Putin?

Das bereits angespannte Verhältnis zwischen Russland und Deutschland, respektive Putin und Merkel, könnte sich in der Folge noch weiter verschärfen. Nach dem Mord an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin hatte zuletzt auch die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny für Konflikt gesorgt.

Vor der Sondersitzung des Finanzausschusses des Bundestags zum Wirecard-Skandal ist aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut in einer kritischen Position. Die Bundesregierung hatte den Konzern unterstützt, Merkel höchstpersönlich hatte bei einem Besuch in China für Wirecard geworben. Bisher hatte sich die Bundesregierung auf Verfehlungen der BaFin berufen. Man habe nicht absehen können, wie es um die illegalen Machenschaften in dem Krisen-Unternehmen stand. Doch zu jenem Zeitpunkt galt Wirecard in den Medien längst als umstritten. Was Merkel hätte wissen können, führt der Spiegel auf.

Wirecard-Skandal: Was konnte Merkel wissen? Das war über den Münchner Konzern bekannt

Demnach berichtete die Financial Times bereits seit April 2015 über Wirecard - und widmete dem Unternehmen regelrecht eine Artikelserie unter dem Namen „House of Wirecard“. Unter anderem wurden in der Serie die Auslandsgeschäfte von Wirecard sowie die veröffentlichten Zahlen infrage gestellt. Im Februar 2016 erhob der Analysedienst Zatarra anonym in einem Papier schwere Betrugsvorwürfe. Der Spiegel berichtete. Im Jahr 2017 verdichten sich die Vorwürfe - immer mehr Medien behandeln die fragwürdigen Bankgeschäfte und werfen Fragen auf. Darunter das Manager-Magazin, oder etwa die Süddeutsche Zeitung und der NDR in ihren Recherchen zu den „Paradise Papers“.

Die Financial Times veröffentlicht im Januar 2019 binnen mehrerer Wochen drei Artikel, in denen sie Wirecard der Bilanzfälschung beschuldigt. Das Unternehmen habe in Asien seine Bilanzen künstlich aufgeblasen. Die Konzernführung weist die Vorwürfe als haltlos zurück. Der Kurs der Wirecard-Aktie* bricht in dieser Zeit um fast die Hälfte ein. Die Bafin reagiert, wenn auch fragwürdig, im Februar und verhängt ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien und beauftragt die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mit einer Sonderprüfung von Wirecard. Medienberichten zufolge war dort aber nur ein einziger Mitarbeiter für den komplexen Fall zuständig. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wird aber über die Ermittlungen informiert.

Skandal um Münchner Unternehmen Wirecard: Bundeskanzlerin Merkel in der Kritik

Anzeichen auf die Korruption im Wirecard-Konzern gab es also genug, als sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im September 2019 auf einer China-Reise für das Unternehmen einsetzte. Auch deshalb kommt der Finanzausschuss des Bundestags am Montag ab 12 Uhr und am Dienstag zu weiteren Sondersitzungen zum Wirecard-Skandal zusammen. Den Abgeordneten sollen am Montag erstmals Vertreter des Bundeskanzleramts Rede und Antwort stehen. Befragt werden sollen zudem Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), Bafin-Chef Felix Hufeld sowie Vertreter der bayerischen Landesregierung und der Zoll-Spezialeinheit Financial Intelligence Unit (FIU).

Für Dienstag, 8 Uhr, sind dann Befragungen von Vertretern der Bafin, der Bundesbank, der Deutschen Börse und des hessischen Wirtschaftsministeriums geplant. Bereits Ende Juli waren bei im Ausschuss Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu ihrer Rolle im milliardenschweren Bilanzskandal des mittlerweile insolventen Münchner Zahlungsdienstleisters befragt worden.

Wirecard-Skandal: Merkels Rolle „beschämend“

Vor der Sondersitzung des Finanzausschusses des Bundestags zum Wirecard-Skandal hat der FDP-Finanzexperte Florian Toncar erneut die Rolle des Kanzleramts kritisiert. „Es ist doch hochgradig beschämend für die Bundesregierung, sich im Ausland ganz offiziell für ein betrügerisches Unternehmen eingesetzt zu haben“, sagte Toncar der „Passauer Neuen Presse“ vom Montag. „Da hätte ich mir von Frau Merkel mal Selbstkritik gewünscht.“

Toncar sagte der Zeitung, das Bundeskanzleramt habe nun „die Möglichkeit, auf die offenen Fragen einzugehen“. Sollten sich dabei Widersprüche oder weitere Fragen ergeben, müsste sich die Kanzlerin auch persönlich dazu äußern, forderte Toncar. „Sie war ja nicht nur auf der China-Reise, sondern schon in deren Vorfeld mit Wirecard befasst, etwa bei einem Treffen mit dem Wirecard-Berater Karl-Theodor zu Guttenberg.“ (nai mit dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

Video: EX-Wirecard-Vorstand: Fahndung bei „Aktenzeichen xy“

Auch interessant

Kommentare